CHRISTIAN HOLZE / MÁRTON NEMES / ANSELM REYLE |  BACK TO BACK TO BACK

REITER BERLIN  |  1.5. - 9.8. 2025
REITER
LEIPZIG |  3.5. - 9.8. 2025

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BERLIN


In der Ausstellung BACK TO BACK TO BACK zeigt REITER gleichzeitig in Berlin und Leipzig drei künstlerische Positionen aus Deutschland und Ungarn, die aktuelle Fragestellungen der Malerei radikal ausloten. Christian Holze, Anselm Reyle und Márton Nemes setzen sich auf unterschiedliche Weise mit Bildformat, Materialität und medialen Übergängen auseinander – und überschreiten dabei konsequent die Grenzen klassischer Gattungen. Ihre Werke treffen in einem dynamischen Spannungsverhältnis aufeinander: Rücken an Rücken, Bild an Bild.
Was Jean Baudrillard als eine „ästhetisch halluzinierte Wirklichkeit“ bezeichnete, entfaltet sich hier in einer überbordenden Verschmelzung von Malerei, Skulptur und Installation. Die Grenzen zwischen den Medien verschwimmen – ebenso wie jene zwischen Subjekt und Objekt, physischer und virtueller Welt. Ihre individuellen Bildsprachen und visuellen Systeme intensivieren die Wahrnehmung und eröffnen komplexe Erfahrungsräume jenseits kunsthistorischer Konventionen. Dabei treten Materialbewusstsein und konzeptuelle Querverweise in den Vordergrund.
Verbindendes Element der beiden Ausstellungen ist ein eigens komponierter Soundtrack von Péter Hencz, der auf den Lieblingssongs der Künstler basiert. Die Klanglandschaft aus Techno, Metal und Noise, durchbrochen von Momenten akustischer Harmonie, ergänzt die visuelle Erfahrung um eine auditive Dimension. Die Veröffentlichung auf Vinyl unterstreicht das Ausstellungskonzept – als Echo der A- und B-Seiten eines Albums.

– Text von Hanna Claris
In der Serie ‘The Most Boring Artist I Know’ setzt sich Christian Holze mit Cy Twomblys abstrakter Interpretation von Raffaels Schule von Athen auseinander, indem er KI-generierte Bildfragmente und digitale Überarbeitungen mit malerischen Eingriffen kombiniert – eine Reflexion über Kunstgeschichte, Aneignung und die Verschmelzung von digitaler und analoger Bildproduktion.
In den ‘Synchronicity Paintings’ inszeniert Márton Nemes eine virtuelle Fortsetzung des Malakts, indem er analoge Pinselgesten digital überführt, mit LED- Licht animiert und so Malerei als vielschichtiges, simultanes Zusammenspiel von Materialität und Virtualität erfahrbar macht.

Anselm Reyles Keramikobjekte sind zylindrische, glasiert bemalte Formen, die er wie Malflächen behandelt. 
Sie verbinden das Handwerkliche der Keramik mit der Ästhetik seiner Bildwelt – reflektierend, farbintensiv und oft bewusst unperfekt. Dabei greifen sie Themen wie Materialität, Alltagskultur und Dekor auf und übertragen seine typischen Stilmittel in eine körperhafte, skulpturale Form.
In der ‘Time Sleep’ -Serie zeigt Christian Holze die schlafende Ariadne in digital erzeugten Skulpturenpaaren mit Adonis oder dem Sterbenden Gallier und greift damit auf klassische Bildmotive zurück, die er mittels digitaler Rekonstruktion, Kopie und malerischer Eingriffe in hybride Bildwelten überführt – wodurch die kulturelle Nähe von Schlaf und Tod ebenso thematisiert wird wie der Wandel von Original und Reproduktion in der zeitgenössischen Kunstproduktion.

Márton Nemes ‘Sound Paintings’ sind hybride Werke, die Malerei mit Klang verbinden: In die farbintensiven, oft schichtartig aufgebauten Wandobjekte sind Lautsprecher integriert, die eigens komponierte Klangstücke abspielen. Dabei verschmelzen visuelle und auditive Ebenen zu multisensorischen Bildern – Malerei wird hörbar, Raum wird Klangkörper.

Christian Holzes Skulptur ‘Castor & Pollux & Castor & Pollux’ ist eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Autorschaft, Reproduktion und kunsthistorischer Zuschreibung. Ausgangspunkt ist ein 3D-Scan der Ildefonso-Gruppe – einer römischen Marmorkopie, die selbst auf griechische Vorbilder zurückgeht und später barock ergänzt wurde. Durch digitale Transformation und Verdopplung schafft Holze eine „Kopie der Kopie der Kopie“, die die Instabilität des Originals sichtbar macht. In Verbindung mit Bildmotiven wie ‘Amor and Psyche’ oder ‘Psyche Bidding Her Family Farewell’ wird die Skulptur zur Reflexion über kulturelles Erbe und mediale Vermittlung. Holzes Arbeit vereint Vergangenheit und Gegenwart in einem Objekt und versteht sich als kritische, zeitgenössische Weiterführung historischer Formen. 
In Antinoos&Antinoos greift Christian Holze auf den Farnesischen Antinoos zurück – eine römische Statue des 2. Jahrhunderts n. Chr., die den jung verstorbenen Geliebten Kaiser Hadrians als idealisierten Jüngling zeigt. Schon diese Figur ist eine Adaption griechischer Vorbilder – ein Umstand, den Holze in seiner digitalen Spiegelung und farblichen Verdopplung bewusst weiterführt.
Zwei Antinooi, gespiegelt zueinander, verschränken sich zu einem doppelten Bild zwischen Symmetrie und Differenz. Holzes Arbeit wird so zur „Kopie der Kopie“ – nicht als Verlust, sondern als Strategie: zur Reflexion über Reproduktion, Erinnerung, digitale Bildwelten und nicht zuletzt über die Frage der Autorschaft selbst. Wer spricht in solchen Bildern? Wer besitzt sie? Und was bleibt vom Original?
Zur Ausstellung Back to Back to Back erscheint eine eigens produzierte Vinyl-Schallplatte, die die drei beteiligten Künstler – Christian Holze, Márton Nemes und Anselm Reyle – über beide Ausstellungsorte hinweg verbindet. Die Komposition stammt von Péter Hencz und basiert auf den musikalischen Vorlieben der Künstler.

LEIPZIG


Márton Nemes’ monumentale Emaille Panel-Wand, die bereits auf der Venedig Biennale 2024 gezeigt wurde, entfaltet sich in Leipzig als bisher größte Installation dieser Serie und erweitert das Medium Malerei zu einem simulierten, multimedialen Raumbild. 

Anselm Reyles Streifenbilder sind farbintensive Werke aus industriellen Materialien wie Folien und Lacken, die mit reflektierenden Oberflächen und präzisen Farbbalken spielen – sie zitieren modernistische Malerei und verwandeln sie in glänzende, künstliche Objekte, die zwischen High Art und Kitsch oszillieren. 
Anselm Reyles Neon-Bilder mit Folie und Neonschrift kombinieren spiegelnde, geknitterte Folien in intensiven Farben mit leuchtenden Neonwörtern oder -formen. Diese Werke spielen mit Licht, Reflexion und Oberflächenreizen und inszenieren eine künstliche, fast überreizte Ästhetik, die zwischen Pop, Trash und Kunstmarktglamour changiert – eine ironische Hommage an Konsumkultur und moderne Bildsprache.

In der ‘Law of Attraction’ -Serie kombiniert Márton Nemes glasiertes Porzellan mit farbverlaufbesprühten Hintergründen, wobei die keramischen Elemente als dreidimensionale, erstarrte Pinselstriche fungieren. Sie verbinden das Organische mit dem Künstlichen, indem sie körperhafte Formen und industriell wirkende Oberflächen vereinen – ein Ausdruck seiner Auseinandersetzung mit Materialität, Transformation und dem Spannungsverhältnis zwischen Natur und digitaler Ästhetik.

Christian Holzes ‘Sixfold Artemis & Iphigenia’ basiert auf einer Skulptur, die im 19. Jahrhundert – vermutlich von Bertel Thorvaldsen und seinen Schülern – aus antiken Fragmenten ergänzt und stark überformt wurde. Diese spekulative Rekonstruktion, sichtbar in der überladenen Gestik und Figurenvielfalt, greift Holze auf und potenziert sie digital zu einer dichten, skulpturalen Spirale. So wird das Werk zur Reflexion über historische Aneignung, die Unsicherheit des Originals und die Verbindung kunsthistorischer Linien.

A-side / Berlin 

Entering the labyrinthine gallery space of REITER Berlin, it immediately transpires from the intimate positioning of Holze’s Nothing New (2025) and Time Sleep (2024) and Nemes’s Irreversible Paintings 01 and 02 (2025) on a black, orange and purple spray-painted background by Reyle, that the three artists explore the superimposition, intermediality and simultaneity of their different visual languages. Reyle, Nemes, and Holze share a vision of exploring painting in spatial terms. Reyle, who often extracts materials from the urban fabric such as Mylar foil, neon tubes, high-gloss lacquer, or volcanic-glazed ceramics, seizes the gallery space through the territorial and vandalic act of spray-painting the rooms with a fire extinguisher. Known for examining the domain between high art and kitsch, he is fascinated by plastic, gaudy glamour, and gravitates towards the material recasting of spaces, probing the concept of the real as simulation. In this intervention, Reyle uses the wall as a carrier for paint, evoking distant associations of mysterious prehistoric cave art surface alongside those of graffiti. Nemes, whose origins in art are rooted in graffiti and dilapidated urban settings, also uses spray paint in most of his compositions. Progressing through the rooms, structural overlaying becomes a central theme with Holze’s characteristic use of aluminium frameworks facilitating an overlapping, dynamic installation style. Shifting the picture from the wall into space and revealing both front and back, Holze interrogates traditional displays of art, implying notions of visibility and obscurity, emphasis and neglect. Set against the rawness of Reyle’s paint and the physicality of Nemes’s stratification, Holze’s glossy and hyperrealistic inkjet prints – reappropriations of mainly ancient Greek artefacts – point to the all- consuming artistic use of digital technologies that produce humanly unachievable effects. Holze’s sculptural piece Castor & Pollux & Castor & Pollux (2025) integrates three paintings into a three-dimensional work, embodying the adaptability of various media, engaging the viewer’s body and entangling perceptions. 

While traditionally two-dimensional works are thought to be about framing, narrative and illusion, the three artists’ destabilising gestures incite notions of relationality, tension and immersion. While Holze embraces artificial intelligence as a pigment of the digital age, Nemes is continually reaching for new mediums. He uses industrial processes including laser-cutting and powder-coating as a prosthesis of his painting practice. Exploring the expansibility of paintings through the deconstruction and reassembly of painted layers, he adheres only to the wall-bound and layered quality of paintings. Building his compositions from enlarged, digitised brushstrokes, he immanently signals the human touch in multiply overwritten marks, while metaphorically solidifying malleable paint in metal. By embedding LEDs in the picture plane in Synchronicity Paintings 08 and 09 (2025), Nemes indicates the omnipresence of virtuality, preserving and prolonging the physical act of painting through a virtual animation of paint-like gestures. His desire to augment the scope of painting is further realised by assimilating sound resonance into Stereo Paintings 08a and 08b (2025), creating hybrid speaker pieces that play singular compositions by Péter Hencz. 

Holze, Nemes, and Reyle create a hyperreality that distorts the original reality they once referred to, ultimately dissecting painting as a genre into disparate components. Each artist foregrounds the pure act of production, generating their own teleological values in art. Nemes’s Irreversible Paintings search for the final cause, that for him is the spatial and perceptive expansion of painting; for Holze, it is simulation – the phenomena between real and artificial, natural and virtual; and for Reyle, the inexplicability of illusions.

B-side / Leipzig 

In the vestibule of REITER Leipzig, an installation by Christian Holze situates inkjet prints on his characteristic aluminium framework, recalling industrial storage systems, and forming a dialogue with Stereo Paintings 08c (2025) by Márton Nemes, which adds auditory dimension to the exhibition. Echoing Holze’s extension into space through dynamic exhibition architecture, Nemes expands painting through invisible sound frequencies. The hybrid speaker piece plays compositions by Péter Hencz. Responding to the inherent layeredness and extensibility of painting, Nemes’s Stereo Paintings, textural, multisensory, wall-mounted painting-objects, embody medium hybridity and interdisciplinarity. Throughout the exhibition, traditional formats of art are destabilised with works overlapping physically and conceptually engaging with the superimposition, intermediality, and simultaneity of distinct visual languages. Together they dissect and reconfigure fundamental elements of painting – field and frame; foreground, middle ground and background; material, form, and colour. 

Holze, Nemes, and Reyle explore relationality, tension and immersion guided by the shared belief that painting, as an extension and alteration of a perceived reality, must continually reinvent itself and exceed beyond boundaries. While Reyle claims the Berlin gallery by spray-painting its walls, in Leipzig, Nemes shields the space with his monumental enamel wall. He operates with the idea of simulation through computerising and magnifying once hand-painted gestures – a method mirrored in Holze’s adjacent print interfacing innovation and imitation. Holze reconditions classical artefacts as flattened, cybernetic and glossy picture planes through diverse digital tools, challenges the received notions of subjectivity and authorship. His surfaces are pseudo-perfectionist as, upon closer investigation, they often expose overpainted brushstrokes on the print itself, oscillating between reality and artifice, authenticity and simulation. He is the only artist dealing with figuration and an impressive array of digital technologies, including 3D scanning and artificial intelligence, turning the production process itself abstract. 

Inflaming the senses and eulogising materiality, a piece from Reyle’s iconic Stripes series is hung directly on the enamel wall, playing with layering both within and across artworks. Interweaving aesthetic values of modernism with synthetic textures, Reyle questions reality as an apparition. In his practice, steeped in reflections, optical illusions, and synthetic artifice, he surveys the division between high art and kitsch, feeding on the glitzy, tawdry materiality of everyday urban environments, resorting to materials like Mylar foil, neon tubes, or high-gloss lacquer. Both Reyle and Nemes, who share a history of working with artificial materials, arrive at the organic medium of clay, embracing the philosophy of wabi sabi – an appreciation of uniqueness and imperfection. Treating this malleable material much like paint, Reyle uses ceramics as cylindrical picture planes, alluding to domesticity and social-political contexts. Nemes, meanwhile, handles porcelain as three-dimensional, solidified brushstrokes. In Law of Attraction 09 and 10 (2025), glazed ceramics affixed to the gradient-sprayed backdrops evoke the real and hyperreal, organic and artificial. His corporeal ceramic forms resonate with the bodily curves in Holze’s compositions, revealing a shared sensibility across media and subject matter. 

This layeredness culminates in two exclusive collaborative works by Holze and Nemes, fusing figuration and abstraction, physical and virtual realms. Holze, Nemes, and Reyle stage exhibitions that are meta-constructs, reflecting on what painting is and could be. Through spatial, material, and conceptual interplay, they add a palimpsestic layer to their dialogue on form, perception, and hyperreality. 

– Hanna Claris